Das futuristische Soziale steht im Projekt ‘Vereint Euch!’ im Mittelpunkt. Wie verbindet man Vereinsleben mit Zukunft? Mit Hilfe von social science facts & fiction wurde eine mögliche Zukunft geschrieben. Eine Inspiration, für mich als Autorin und Soziologin, ist Michael Young’s The Rise of the Meritocracy 1870-2033. An Essay on Education and Equality. Es zeigt wie zukunftsorientiert soziales Wissen sein kann und wie wir, neben Technologie, auch immer Soziologie brauchen.
Die folgende Texte sind Auszüge aus: Manuskript Essay ‘Gemeinschaftsgold & Sozialkapital’ 2018. Wissenschaftlicher Bericht zur langfristigen Lage und Entwicklung der Vereinen 1968 – 2068.
Teile dieses Essays sind und werden publiziert in: Das Libretto der Dorfoper Vereint Euch in 214 Akten, Larissa Meyer (et al.) 2018; Blieskasteler Nachrichten (ab Ausgabe 42/2018). Die Bilder sind künstlerische Aktionsbilder und wurden im Rahmen des Projektes Vereint Euch! Live/lebendig aufgeführt. Ich bedanke mich recht herzlich bei dem ganzen Vereint-Euch!-Team. Mehr Publikationen folgen.
Einleitung: Wer gewinnt Gemeinschaftsgold?
Was wäre wenn wir nur von den Problemen der Technik erfahren hätten und nicht von den Chancen? Was wäre dann aus Technologie geworden?
Nichts wäre aus der Technologie geworden. Das hätte uns viele Probleme erspart, aber auch viel Schönes weggenommen.
Bei der Soziologie scheint es eher umgekehrt zu wirken. Viel Schönes wurde weggenommen und das Soziale nur noch in Problemen besprochen.
Seit 1968* wurde sehr viel gedacht in Problemen gedacht, auch in Lösungen, aber wurde trotzdem immer gerne von Defiziten gesprochen. Vieles wurde aufgearbeitet, problematisiert, in Konflikten auseinandergenommen und nacherzählt. Ganze Gesellschaften landeten auf der (psycho-)Couch.
Das war wichtig und nachvollziehbar, nach dem Schrecken des 20. Jahrhunderts. Im 21. Jahrhundert aber, ist es nicht durch-vollziehbar. Es lenkt vom Positiven, das erreicht würde, ab.
Viele Bürger kennen das Jahr 1968 nur aus Überlieferungen. Krieg, Kolonialismus, Armut, Krankheiten, vieles wurde angepackt und dafür sind wir den Generationen vor uns dankbar. In 2068 arbeiten Menschen immer noch täglich an der Bekämpfung von Hunger, Armut und Umweltkatastrophen. Auch Kriegsherde gab es immer wieder. Heilige und Helden die gerne helfen gibt es zum Glück auch immer wieder und unter allen Weltbürgern. Es werden aber auch neue Perspektiven und Ziele gebraucht.
Dieser Essay (jetzt s.5-7) stellt dazu das Soziale im Mittelpunkt: die Welt der Vereine. Diese Organisationstradition wurde Mitte des 21. Jahrhundert wieder entdeckt, passte sich den geänderten Umständen an und wurde zum Antrieb der gesellschaftlichen Entwicklungen. Das Soziale bewährte sich auf reizvolle Art und Weise, und umarmte das Technologische; der Mensch wurde als durch und durch soziales Wesen betrachtet und gemeinsame Vereinsarbeit wertgeschätzt.
Eine kleine Region in Europa spielte dabei eine wichtige Rolle. Dort wurde eine seltene Ressource gefunden: Gemeinschaftsgold.
1. Die soziale Welt der Vereine bis 2018
Obwohl das Sterben der Vereine schon mehrmals vorhergesagt wurde, gab es in 2016 in Deutschland Vereine in überwältigender Anzahl. Rund 50 Millionen Deutsche waren damals Mitglied eines Vereins und der Trend ging in die Richtung der Mitgliedschaft in mehreren Vereinen. 2016 waren fast 604.000 Vereine im Handelsregister eingetragen (ZiviZ-Survey 2017). Darüber hinaus gab es noch viele nicht eingetragene Vereine.
Ob Deutschland damit Weltmeister der eingetragenen Vereine war, ist – noch abgesehen von der Notwendigkeit einer solchen Wettbewerbselements – im Nachhinein schwer festzustellen. Auch in England, Frankreich, Österreich, Belgien und den Niederlanden zum Beispiel, gab es starke Zivilgesellschaften inklusive Vereinen, Verenigingen und Voluntary Associations. In Griechenland, Italien, Spanien und Portugal waren auch die Familien noch hoch und sozial kräftig entwickelt. In China hatte der Staat vieles Organisatorisches übernommen. In Indonesien und Indien sprudelte es vor wirtschaftlichen Kleineinheiten, in Ghana und Nigeria wurde in Mehrgenerationen-Einheiten gedacht und gehandelt.
Auch innerhalb der Welt der Vereine gibt es viele Variationen. Es gab eine große Diversität an Vereinen, mit unterschiedlichen Zielen und Themenbereiche, Altersaufbau und Mitgliederzahlen. Das macht es schwierig von ‘den Vereinen’ oder ‘das Vereinsleben’ zu reden. Auch kann schlecht von Vereinskultur die Rede sein, weil es so viele unterschiedliche Vereine gab und gibt. Trotzdem gibt es eine Basis und Gemeinsamkeiten, die Vereine zu einzigartigen und wertvollen sozialen Ressourcen machen.
Was sind eigentlich ‘Vereine’?
Vereine sind eine Art Organisationsform in dem Bereich zwischen Individuum, Familie und Freunden, und Gesellschaft. Vereine werden auch bezeichnet als typische ‘Vergesellschaftsform der Moderne’. Am einfachsten kann man es so formulieren: in Vereinen tun Menschen etwas zusammen, was man nicht alleine kann oder schafft, und formalisieren diese Aktivitäten: die Aktionen werden umrahmt von einem Organisations- und Regelwrk.
Vereine brauchen Pflege
Im Prinzip kann jeder mit anderen zusammen einen Verein starten. Und genau das ist wie die Pioniere in der Vergangenheit loslegten und wie Vereine immer noch loslegen. Vom Kleingartenverein zum Sportverein, von Musikverein zum Heimatverein, von Verein zur Verzögerung der Zeit e.V. (Giesecke, Hebert und Welzer 2016) zum Carsharing-Verein.
Vereine sind dabei weit mehr als ‘in einer Gruppe zusammenarbeiten’ – sonst würde auch jede Band, Garten oder Familiengrillfeste zur Kategorie ‘Verein’ gehören – Vereine leben länger und sind für mehr als nur einzelne Events da. Sie sind im Prinzip nachhaltiger, brauchen regelmäßige Organisationspflege und dienen ihren Mitglieder.
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Seiten 5-7 aus: Manuskript Essay ‘Gemeinschaftsgold & Sozialkapital’. Ellie Smolenaars 2018. Wissenschaftlicher Bericht zur langfristigen Lage und Entwicklung der Vereinen 1968 – 2068.
* 1968 + 50 = 2018 + 50 = 2068. S. Auch die Zukunftsorientierung bei Michael Young (1958)
Literatur:
Giesecke, Dana, Saskia Hebert und Harald Welzer (Hg.) 2016. Futurzwei Zukunftsalmanach 2017/18. Geschichten vom guten Umgang mit der Welt. Frankfurt Am Main: Fischer.
Priemer, Jana, Holger Krimmer, Anaël Labigne 2017. Vielfalt verstehen. Zusammenhalt stärken. ZiviZ-Survey 2017. Edition Stifterverband: Essen. s. Auch: ZiviZ-Survey 2017.
Young, Michael. 1958 The Rise of the Meritocracy 1870-2033. An Essay on Education and Equality. Thames and Hudson.
Zimmer, Annette 2007. Mitarbeit von Thorsten Hallmann und Lilian Schwab. Vereine – Zivilgesellschaft konkret. 2. Auflage. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.