Auszug aus dem *Theoriekurs Leben auf dem Lande: Freilandmensch werden

Vielen Stadtbewohner fehlt das Selbstvertrauen auf dem Lande zu leben. Obwohl es gute Gründe dafür gibt: mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in überfüllten Großstädten und leidet unter überhöhten Mietpreisen und Luftbelastung – vor allem durch CO2, Ruß oder Benzol. Der Theoriekurs ‘Leben auf dem Lande’ bietet Stadtbewohnern, die sich ein Freilandleben wünschen, eine attraktive, neo-romantische Einführung ins Landleben. Das Ziel ist, Dorf-Ängste zu unterbinden und mit einer theoretischen Vorbereitung den Einstieg ins Landleben zu erleichtern. Der Kurs ist geprägt von einer Willkommenskultur und wurde beeinflusst von erfahrenen Dorfbewohnern. Für diesen mentalen Aufbaukurs gelten keine Mindestanforderungen.

Bodenwerte_1: DorfbeStadtfluchtwohner sind Stadtbewohner mit Platz
Jeder soll ein Stück Boden besitzen.

Kann ein Grundstück einem Menschen helfen mit der Welt Frieden zu schließen? Es gibt diese Grundstücke, sie sind übrig und warten auf Adoption. Während Brennnesseln sich mit hartnäckigen Unkräutern um die Herrschaft des Grundstücks streiten, wundert man sich: würde man mit so einem Stück Land, mit einem alten Haus oder einer Scheune darauf, Frieden schließen können?

In Gottsbüren gibt es diese verlassenen Grundstücke. Mitten im Dorf, mitten in Deutschland, unauffällig. Gerne würde man auf dem grünbraunen Moos eines verlassenen Grundstückes einen einzelnen Stuhl hinstellen, sich die Brennnesseln anschauen und diesen Gedanken vom Grundstücksfrieden auch praktisch auf sich einwirken lassen. Kann ich hier leben? Würde ich die Stadt vermissen? Würden Freunde hier, mit mir, das Wochenende verbringen?

Der Schriftsteller Henry Thoreau lebte zwei Jahre in Einsamkeit in ‘Walden’. Er schrieb in 1854, dass er zwei Stühle hinstellen würde, einer wäre ihm zu einsam, deswegen zwei für Freundschaft und drei Stühle für Gesellschaft. Gottsbüren ist kein einsames ‘Walden’ und auch das 21. Jahrhundert ist schon längere Zeit da, aber man kann sich schon vorstellen ein kleines Feuer zu machen, in die Flammen zu schauen und sich dann zu wundern: Wieso funktioniert diese verrückte Welt eigentlich so wie sie funktioniert?

Urbanisierung ist der Trend. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in überfüllten Großstädte und leidet unter Luftbelastung. Und dann folgt einer dieser beunruhigenden Nebensätze: ‘vor allem durch CO2, Ruß oder Benzol’.  Viele Bürger zahlen überhöhte Mietpreise oder immense Kaufsummen; das  Leben ist damit fest schabloniert; man lebt an goldenen Ketten. Und aus Liebe für die Natur praktiziert man Urban Farming, hängt Bienenboxen an Balkons und säht und gießt die Ringelblumen am Straßenrand. Die Lungen passen sich unbemerkt an.

Die Fremdkörper sind nicht so sehr diese Bienenboxen, sondern die Balkons. Kleine gebaute Außenstellen, obwohl es so viel Außen gibt. Im 21. Jahrhundert macht digitale Kommunikation es möglich, vom kleinsten Dorf aus mit der Welt zu kommunizieren. Deswegen ist auf das Land ziehen jetzt wirklich keine Weltflucht mehr. Und analog zu der Aussage, dass reiche Menschen arme Menschen mit Geld sind – sind Dorfbewohner Stadtbewohner mit Platz. Gerade Platz macht den Reichtum aus.

Der amerikanische Gesellschaftsforscher Alexis De Tocqueville (1835) war der Meinung, dass jeder ein Stück Boden besitzen solle, um unabhängig zu sein. Ein Stück Boden wirke wie ein Puffer zwischen den Geldströmen und dem Bürger. Die Identität besteht nicht nur aus Gehalt oder Wohnung. Das Grundstück und alles, was darauf gebaut und angebaut wird, ist fester Bestandteil der eigenen Identität. Zu selten denken wir über den Sinn von Boden nach. ‘Die Antworte von denen mit Macht, drehen um Geld: weniger Schulden, mehr Freihandel, mehr Hilfe. Selten wirst du das Word ‘Land’ hören.’, schreibt ein britisches Land Magazine.

Viele Stücke Land werden momentan verlassen und sind neu zu besetzen, sind zu haben. Ja, es braucht ein gewisses Maß an Idealismus: so wie Waffen zu Pflugscharen werden sollten, werden Brennnesseln zur Suppe und Stadtbewohner zu Landbewohner. Pioniere braucht das Land. Wer dabei Mut braucht, und mehr als einen Stuhl auf einem verlassenen Grundstück, ist herzlich eingeladen zu dem Theoriekurs:  ‘Freilandmensch werden’.

Durch Gottsbüren fahren, mit Thoreau? Gottsbüren TV (1) ab 10:48