Was genau ist das Geheimnis vom Landleben? Gestern, am 07.06, hatte ich meine erste Buchvorlesung Belletristik und ich freute mich fünf Fragmenten aus meinem Manuskript ‘Landleben auf Probe‘ vorlesen zu dürfen, auf Einladung des Hinstorff-Förderverein für Literatur und Kultur. Für diese Arbeit bekam ich ein Literaturstipendium vom Land Mecklenburg-Vorpommern.
Der Saal im Schloss Kaarz war überfüllt. Das übrigens ist meistens der Fall. Eine kurze Befragung des Publikums – man bleibt Soziologin – lernte dass
die Mehrheit bestand aus Landmenschen- ich schätze es gab 50 Outdoormenschen, 10 Indoormenschen und 6 Mischlinge. Es fiel mir auf das die Mischlinge sich vor allem hinter im Saal aufhielten.
Als Autorin ist es eine schöne Sache dem Publikum direkt befragen zu können: welche Aktivitäten sollen unbedingt Teil werden des Kursprogrammes ‘Landleben auf Probe’? Die Outdoormenschen antworteten: Schneeschieben; Die Gänze einsperren um 23:00 Uhr; Hühner schlachten; Holundersaft machen; Schafe scheren; Schweine Schlachten; Umgang mit der Kettensäge. Die Indoormenschen antworteten: Holzhacken; Kommunikation mit der Landbevölkerung; Rasentraktor fahren; Fledermäuse beobachten. Es zeigt sich hier deutlich eine praktische versus romantische Auffassung vom Leben auf dem Lande.
Über die Geschichte ‘Landleben auf Probe’: Das Landleben wird mit der Zeit verschwinden und zwar aus der ganzen Welt, meint Hauptperson Gina. Die Großstadtbewohnerin möchte das Landleben deswegen ausprobieren, sieben Tagen lang, und folgt dazu den Kurs ‘Landleben für Anfänger’. Der Kurs wird in einem kleinen norddeutschen Dorf unterrichtet. Im Schlachtemonat November. Gina entdeckt dabei die wunderbaren und grausamen Geheimnisse des Lebens auf dem Lande im 21. Jahrhundert.
Teil des Fragmentes: ‘Schneeschieben ohne Schnee’
‘Bei Schneeschieben ist es eher ein Vorteil das es keinen Schnee gibt’, erklärte Kursleiterin Catherine geduldig. Sie musste diese Situation schon in etlichen Kursen erlebt haben. ‘Wie leichter die Substanz, desto mehr wirkt sie wie Schnee. Hauptsache: der Rücken tut am Ende weh.’
‘Schneeschieben ohne Schnee und der Rücken tut weh. Es kommt mir vor wie ein surrealistischer Traum.’ Eva klang begeistert. ‘Ich hatte das nicht erwartet in Nord-Deutschland. Süd-Amerika, ja, aber nicht hier. Das sie auch hier zum Surrealismus im Stande sind!’
Catherine schien Eva nicht zu hören: ‘Schnee zu zeigen, oder vielleicht besser: die Konsequenzen von Schnee zu zeigen und in Verbindung zu bringen mit Handlungsfähigkeiten, ist unserer Erfahrung nach wichtig, weil viele der Stadtbewohner sich für das Mecklenburger Dorfleben entscheiden, gerade wenn sie im Sommer hier sind. Sie erleben Sonne, Wärme, das Meer und MV tut gut. Sie genießen touristische Dienstleistungen. Aber dann. Winter, Schnee, Heizung? Kein Gutshauspersonal. Sanfte Finger vom Touchscreen. Rückenschmerzen. Unsere Aufgabe in diesem Kurs ist es gerade auch diese Erfahrungen weiter zu geben.’
‘Das ist aber authentische Werbung’, sagte Gina. ‘Mecklenburg-Vorpommern: das einzige Bundesland dass werbt mit Rückenschmerzen zur Saisonverlängerung.’
© Ellie Smolenaars/Elise Broeks